Romane
DEEPA ANAPPARA. DIE DETEKTIVE VOM BHOOT-BASAR
Mit seiner schlauen Freundin Pari und seinem muslimischen Freund Faiz streift Jai auf der Suche nach Spuren durch den riesigen, verschlungenen Bhoot-Basar. Gemeinsam mit dem liebenswerten Suchtrupp spähen wir in die ärmlichen, beengten Hütten, träumen von der HiFi-Welt, die sich hinter der stinkenden Müllkippe, auf der man N°1 und N°2 verrichten kann, glitzernd in den Himmel reckt, fahren mit der Purple Line in die große Stadt und lernen allerlei indisches Leben kennen.
Gezuckerte Fenchelsamen, Mangopulver, mit Kardamom bestrichene Süßkartoffeln, Samosas und Biryani ziehen sich durch den Text, aber auch Elend, Schmutz, Korruption und dichter Smog. Bis zum Schluss scheint vieles möglich, bis, ja, bis Runu-Didi verschwindet, Jais Schwester.
Ein durch und durch sympathisches Buch, dessen Autorin und Übersetzern es auf wundervolle Weise gelingt, uns eine wirklich fremde Welt näher zu bringen. Die erzählerische und stimmungsvolle Leichtigkeit ist umso bemerkenswerter, wenn man weiß, dass der Roman einen schrecklich wahren Hintergrund hat.
Wir sagen okay-tata-bye* und wünschen dir viel Glück, kleiner Jai! NC
€ 24,-
Davide Longo. Die jungen Bestien
Rowohlt Verlag
Vincenzo Arcadipane, piemontesischer Kommissar mit Potenzproblemen und unkontrollierbaren Weinkrämpfen, wird zu einem Massengrab gerufen, das auf der Neubaustrecke des Schnellzugs entdeckt wurde, doch wird er des Falls schneller enthoben als er ein Lakritzbonbon lutschen kann. Kurzerhand werden die Skelette als Kriegsopfer deklariert und sämtliche Beweisstücke eingezogen. Arcadipane ist skeptisch und wendet sich an seinen alten Chef Bramard, der aus der italinischen Geschichte heraus eigene Ideen zu den Hintergründen hat.
Als junger Polizist wurde er in den bleiernen Jahren der 1970er und 1980er in die politische Abteilung berufen und muss sich nun erneut mit den Zusammenhängen und Auswirkungen dieser Zeit auseinandersetzen, die bis in die Gegenwart reichen. Gemeinsam mit einer kalt gestellten jungen Kollegin schaffen Arcadipane und Bramard es, etwas Licht in die Geschichte zu bringen. Den politischen Verwicklungen stehen die privaten Probleme der Männer gegenüber, die von den Frauenfiguren mit Witz, Muße und Skurrilität konfrontiert werden.
Der Roman spielt auf zwei Zeitebenen und experimentiert mit den Leseerwartungen, indem er beispielsweise mehrere Prologe einschiebt. Dennoch ist man sogleich im Geschehen, da Davide Longo so eindringlich erzählt, dass man direkt auf der ersten Seite mit dem Kommissar und seinem Team im Regen steht und einem die Nässe durch die Kleidung dringt.
Zudem ist der Roman eine interessante Annährung an die jüngere, noch immer nicht aufgeklärte, Geschichte Italiens.
410 Seiten
€ 22,-
RONYA OTHMANN. DIE SOMMER
€ 22,-
BEN LERNER. DIE TOPEKA SCHULE
Aus dem amerikanischen Englisch von Nikolaus Stingl
Zu Beginn des Romans sitzt Adam Gordon, ein redegewandter Highschool-Absolvent, eigentlich romantisch, mit seiner Freundin in einem Boot, hält ihr eine Rede und merkt nicht, wie sie ihm buchstäblich entgleitet. Sie verlässt das Boot und schwimmt an Land, was ihm erst auffällt, als er seinen Vortrag beendet hat und dessen Wirkung auf sie sehen möchte. Fast empört macht er sich auf die Suche nach ihr, zu guter Letzt auch noch im falschen Haus, ein Umstand, der ihm erschreckend spät auffällt, nämlich auf der Toilette im unvertraut wirkenden Badezimmer ihres vermeintlichen Zuhauses.
Dies ist eine gewitzte Einführung in eines der Hauptthemen dieses Romans – die Sprache. Hier als ungeeignetes Mittel männlicher Selbstprofilierung, in späteren Kapiteln als Mittel der Gewalt, der Verständigung und der politischen Rhetorik, die Inhalte nebensächlich werden lässt.
Ben Lerner, Sohn der bekannten feministischen Psychotherapeutin Harriet Lerner und vor allem als Lyriker bekannt, zeichnet in seinem dritten autofiktionalen Roman mit viel Selbstironie ein Bild der weißen US-amerikanischen Mittel- und Oberschicht in den 1990er Jahren, die er als Wegbereiter für die heutige politische Situation in den USA ausmacht. Zugleich erzählt er eine berührende Familiengeschichte, die Hoffnung auf positive Veränderungen erlaubt und bleibt sich dabei stets bewusst, dass er nur für einen bestimmten, privilegierten Teil der Gesellschaft sprechen kann, dem er selbst entstammt. Und das ist nur ein Aspekt dieses spannenden Buches, das man gerne gleich nochmal lesen würde und über das man sich unbedingt mit anderen austauschen möchte. Sehr lesenswert. Christine Mathioszek
ANDREAS SCHÄFER. DAS GARTENZIMMER
Guillermo Martinez. Der Fall Alice im Wunderland
Eichborn Verlag
„Der Fall Alice im Wunderland“ ist ein klassischer „Whodunit“ und besonders reizvoll, da er sich auf tatsächliche Forschungsansätze zu Lewis Carroll bezieht, über den man hier nebenbei eine Menge erfährt, und es mühelos schafft, das Oxford der 1990er Jahre, einer Zeit ohne Mobiltelefone und Internet, so nostalgisch erscheinen zu lassen als bewege man sich in der Zeit Lord Peter Wimseys.
Ein sehr britischer Krimi des argentinischen Mathematikers und Schriftstellers Guillermo Martinez, der selbst in Oxford studiert hat und in der Tradition Agatha Christies und Arthur Conan Doyles schreibt. cm
€ 16,-
Young-Ha Kim. Aufzeichnungen eines Serienmörders
Cass Verlag
Als er den Täter zu erkennen meint, von dem auch er sich durchschaut glaubt, setzt er es sich zur Aufgabe, ihn umzubringen, um seine Tochter zu retten, deren Leben er in Gefahr sieht.
Auf nur 152 Seiten folgt man den Anstrengungen des Mannes, in der Gegenwart verankert zu bleiben und liest mit Vergnügen seine Betrachtungen des Daseins, die interessante Parallelen zwischen Mord und Literatur ziehen. Sein letzter Auftrag wird zu einem Wettlauf mit der Zeit und sich selbst, da er zunehmend verunsichert ist, ob er sich auf seine Zuordnungen der Ereignisse noch verlassen kann. Das hält auch den Leser in Atem und führt zu unerwarteten Entwicklungen. In seiner Dichte und mit den philosophischen Einstreuungen des Erzählers sind diese Aufzeichnungen viel mehr als ein Krimi.
Zudem ist das Buch außergewöhnlich schön gestaltet und mit den Erinnerungen des Erzählers verblassen auch die Seitenzahlen im Verlauf des Buches. cm
€ 20,-
Chris Kraus. Scherbentanz
Im Nachwort zur Neuausgabe seines Erstlings erzählt der Autor, wie er damals mit seinem Freund Volker Schlöndorff zu Günter Grass fuhr und diese Begegnung zum Anlass für das vorliegende Buch wurde. Hinreißend erzählt! kp
€ 22,-
Sebastian Barry.Tausend Monde
Aus dem Englischen von Hans-Christian Oeser
Steidl Verlag
€ 24,-
Thilo Krause. Elbwärts
Später, nach der Wiedervereinigung und im Erwachsenenalter, kehrt der Ich-Erzähler mit der neugegründeten Familie zurück in die Provinz und will die Wiederaufnahme der Freundschaft. Doch die Zeiten, sie sind andere.
Thilo Krause streift aktuelle gesellschaftlichen Fragen des oftmals als abgehängt erklärten Ostens nur implizit. Seine Hauptfigur ist ein moderner Sinnsucher in Gestalt des natureuphorischen Romantikers. Wunderbare Gebirgs- und Wanderbeschreibungen durchziehen das Buch, immer wieder durchbrochen von Erinnerungen an die Spätphase der DDR und das heutige Ankommen in der Provinz. Als sich Krauses Hauptfigur langsam in eine Sackgasse aus Erinnerungslasten und demVerlust seiner engsten Liebsten manöviert, rollt ein Hochwasser die Elbe hinab auf das Dorf zu.
Doch es scheint noch einen Ausweg zu geben...
„Elbwärts“ verhandelt große Themen wie Freundschaft, Zugehörigkeit und biographische Brüche in einer sehr unaufgeregten Weise und ist zudem in einer sehr feinen poetischen Sprache geschrieben. tw
€ 22,-
Christine Wunnicke. Die Dame mit der bemalten Hand
Isabelle Mayault. Eine lange mexikanische Nacht
Isabelle Mayault, die für ihre feministischen Reportagen bekannte französische Journalistin, erzählt in ihrem ersten Roman von der geheimnisvollen Reise dieses Koffers. Unbemerkt gelangt er in den politischen Wirren der Zeit von Europa nach Mexiko und wechselt dabei mehrmals den Besitzer, um dann Jahrzehnte später in New York wieder aufzutauchen. Mayault beschreibt mit einer ungewöhnlichen Leichtigkeit die sehr angespannte und komplexe gesellschaftliche und politische Lage, die in den 30er und 40er Jahren in Europa herrschte, und fängt damit dennoch gekonnt die Stimmung des Spanischen Bürgerkriegs ein. Ihre Geschichte und auch der Hauptcharakter Jamón sind geprägt von starken Frauen, die ihr eigenes Schicksal und damit auch das Schicksal der Welt in die Hand nehmen.
Mit ihrer weltoffenen und einfühlsamen Erzählweise hat Isabella Mayault es geschafft, für „Eine lange mexikanische Nacht“ mit dem Prix Ulysse du Premier Roman 2019 ausgezeichnet zu werden. hw
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