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ALINA HERBING. TIERE, VOR DENEN MAN ANGST HABEN MUSS

Arche Verlag

Es ist kurz nach der Wende, als die Familie mit den vier Kindern von Lübeck auf einen heruntergekommenen Hof in Mecklenburg zieht. Der Vater hält es schon bald nicht mehr aus auf dem Hof, auch nicht mit seiner Frau, und später verlassen die zwei Söhne das Haus ebenfalls. Am Ende bleiben die Schwestern Madeleine und Ronja bei der Mutter zurück. Letztere träumt von einem antikapitalistischen Leben - Trabbi inklusive -, das sie ganz in den Dienst der Tiere stellt. Jeden Tag, jede Nacht rettet sie Tiere. Wilde Tiere wie Schwäne und Wildschweine, aber auch angekettete Hofhunde oder gequälte Mäuse. Das Geld ist knapp und knapper, viel geht für die Versorgung der Tiere drauf, die den Mädchen nicht nur Ressourcen rauben, sondern auch Platz. Bald trauen sich die Schwestern nicht mehr über den Flur, wo ein knurrender Hund eingesperrt ist, und zum Plumpsklo kommen sie am Ende nur durch, nachdem sie die vom Schweinefutter angelockten Ratten in die Flucht geschlagen haben. Alles verkommt, es regnet herein, es ist kalt und feucht, die auf dem Dachboden freigelassenen geretteten Mäuse nagen den dicken Balken durch. Die große Katastrophe – sie tritt im Buch nicht ein, ist aber immer greifbar, schwelt unter der Oberfläche. Stürzt die Scheune ein, stürzt sich der Hund auf Madeleine, vergisst die Mutter ihre Tochter bei Wind und Wetter wieder einmal vor dem Supermarkt, sodass diese trampen muss? Von ländlicher Idylle ist kaum etwas zu spüren. Neben all dem Drohenden stellt sich immer wieder die Frage nach dem Machtverhältnis zwischen Kindern und Erwachsenen, zwischen der Mutter und ihren Töchtern. Wo endet die Verantwortungslosigkeit, wo beginnt die Vernachlässigung? Alina Herbing geht diese Fragen höchstens unterschwellig an, ihr Schreibstil ist subtil - aus der Perspektive der Töchter verhält sich die Mutter eben so, wie sie es immer tut, ihr Handeln wird nicht hinterfragt. Dem Leser aber drängen sich diese Fragen auf, bis über die letzte Seite hinaus. nc

256 Seiten
23 €