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Hans Joas. Sind die Menschenrechte westlich?

Kösel Verlag

Wenn die Kanzlerin – eine westliche Politikerin – nach China reist, so wird von ihr jedesmal erwartet, dass sie die Menschenrechtslage zur Sprache bringe. Ebenso regelmäßig lehnen chinesische Politiker dies als westliche Einmischung in chinesische Angelegenheiten ab. Kaum jemand kann sich des Eindrucks erwehren, dass die Menschenrechte ein genuin westlicher Gedanke seien, den wir nun dem Rest der Welt irgendwie nahe bringen müssen bzw. dessen Befolgung wir einfordern dürfen. Hans Joas untersucht die Geschichte der Menschenrechte, zeigt, dass ihre Ursprünge – die er mit der Sakralisierung der Person verbindet – keineswegs nur in westlichen Kulturen zu finden seien. Und er zeigt die erschütternde Tatsache, dass die Idee der Menschenrechte des gleichen Geistes Kind ist, wie die Rechtfertigung von Folter und Sklaverei, aber paradoxerweise auch ihrer Ächtung und Abschaffung. Sehr deutlich wird auch, dass die Menschenrechte, die ja universell zu sein beanspruchen, niemals für alle Menschen gegolten haben und bis heute nicht gelten: Während der Kolonialzeit und bis in den Algerienkrieg galten die Menschenrechte bestenfalls für die Bürger der Mutterländer, keineswegs aber im gleichen Maße für die Menschen in den Kolonien. Und heute genügt z.B. den USA eine Bedrohung der nationalen Sicherheit, wie sie durch den 11. September 2001 entstanden ist, um das prinzipielle Folterverbot und andere Grundrechte außer Kraft zu setzen – wobei sich nicht wenige europäische Staaten dazu verleiten ließen, diese schmutzige Spiel zu dulden oder gar zu fördern.
Joas’ Studie macht erschreckend deutlich, dass die Menschenrechte weder ein Produkt noch gar ein Besitzstand des Westens sind. Sie sind vielmehr seine vornehmste Aufgabe, an der er sich zu beweisen hat, der er allerdings auch heute noch kaum gewachsen zu sein scheint. sd

96 Seiten

10,00€

Sommer 2015