Sachbücher
Dreißig Jahre Deutsche Einheit
JAN WENZEL (Hg.)
Spector Books
592 Seiten
€ 36,-
VOLL DAS LEBEN!
Steidl Verlag
Ian Mortimer. Shakespeares Welt. So lebten, liebten und litten die Menschen im 16. Jahrhundert
Piper Verlag
Das Buch ist „ein Versuch“, für die Shakepeare-Zeit, „die Schichten der Verklärung, Vereinfachung und des aufgeblasenen historischen Urteils (…) so weit wie möglich abzutragen.“ Sein Ansatz, von Alltagsgeschichte und -gegenständen auszugehen, ist dabei nicht unbedingt neu - äußerst literarisch entwirft er ein extrem sinnliches, durchaus überraschendes Zeitporträt. Mortimer bettet dabei seine Schilderungen in ein solides Fundament belastbaren anthropologischen, soziologischen und historischen Materials. Es entsteht ein bewundernswert plastisches Bild der gemeinhin als „das goldene Zeitalter des englischen Theaters“ geltenden Zeit Elizabeths I. und Shakespeares.
Fesselnd und durchaus auch drastisch – Menschen aus Fleisch und Blut begegnen den Lesern und Leserinnen in diesem wunderbar schonungslosen Geschichtsschmöker und bleiben lange im Gedächtnis. Für alle Freunde gut erzählter und seriöser Geschichtsschreibung, die eine riesige Material- und Quellenfülle gekonnt und anschaulich zu verdichten versteht. mc
Garrett M. Graff. Und auf einmal diese Stille. Die Oral History des 11. September
Suhrkamp Verlag
Mit seinem Werk lässt Garrett Graff diesen Tag wieder ablaufen - chronologisch und vielstimmig.
Statt seine eigene Sicht auf den Tag zu erzählen oder geschichtlich/ politisch einzuordnen lässt der Autor Beteiligte selbst zu Wort kommen. Das Buch ist eine ausgefeilte Collage aus Erinnerungen von Zeugen, Original-Tonbandmitschnitten und anderen Dokumenten. Stunde um Stunde verfolgt man die Geschehnisse des Tages aus allen möglichen Blickwinkeln: u.a. Einsatzzentralen der Feuerwehr, Notrufzentralen, Mitarbeitende des Weißen Hauses, Passanten. Man wird unmittelbar in das Geschehen hinein katapultiert und kann sich der Macht des Textes nicht entziehen. Durch dieses vielstimmige Bild wird Geschichte erlebbar gemacht. hd
Ein wichtiges Buch für alle Interessierten von 14-99 Jahren.
Desmond Morris. Das Leben der Surrealisten
Unionsverlag
Desmond Morris, promovierter Zoologe und Verhaltensforscher, legt mit diesem Buch 32 Portraits von Künstlern vor, die kenntnisreich und kurzweilig in den Surrealismus einführen. Dass Kunst und Kunstschaffende nicht ohne einander zu denken sind, wird hier offenbar. Irrungen und Wirrungen der einzelnen Protagonisten werden auf unterhaltsame Weise nacherzählt: der Größenwahn eines Salvador Dalí, die ewige Schürzenjägerei von Max Ernst, die Unangepasstheit der Leonor Fini. Natürlich werden auch André Breton und Pablo Picasso mit einem Portrait bedacht. Neben all dem Boulevardesken gerät die Kunst nie aus dem Blick. Das ist, neben der wirklich schönen Buchgestaltung, ein großes Surplus an diesem Werk. Es ist eine Freude es zu lesen und anzuschauen. hd
Wolfram Eilenberger, Feuer der Freiheit. Die Rettung der Philosophie in finsteren Zeiten 1933 – 1943
Die Frauen könnten nicht unterschiedlicher in Herkunft, Denken und Handeln sein: Simone de Beauvoir - aus bürgerlichem französischen Haus, Teil der Pariser Bohème, zentrale Denkerin des Existentialismus, produktive und engagierte Schriftstellerin, Philosophin und Feministin; Simone Weil: jüdischer Herkunft, sozial und politisch bis zur Selbstaufgabe und unter schwierigsten seelischen und körperlichen Beeinträchtigungen engagiert und widerständig; sie stirbt mit nur 34 Jahren als Jüngste dieser Denkerinnen, auf ihrem Grab steht: „... mit ihren Schriften zählt sie zu den bedeutendsten modernen Philosophen ...“;
Hannah Arendt: zentrale jüdische Philosophin der Be- und Aufarbeitung des finstersten Kapitels deutscher Geschichte, des Holocaust.
Außergewöhnlich und bisher eher nicht in europäische Jahrhundertpanoramen einbezogen: Ayn Rand – Denkerin eines „absoluten“ Individualismus, marktliberale Vordenkerin, eine der bis heute in Amerika meistgelesenen Schriftstellerinnen und Philosophinnen; ihre Ideen und Entwürfe wirken immer wieder auch „anregend“ auf rechtsextreme Kreise.
Die Gemeinsamkeit dieser vier Frauen besteht im Erleben von Krieg, Hunger und Entbehrungen, der tragenden, befreienden Kraft des Denkens und im unbedingten Streben nach Unabhängigkeit, absoluter Freiheit und Einheit von Denken und Handeln vor dem Hintergrund zentraler Ideologien wie Faschismus und Kommunismus.
Das bereits im einzelnen äußerst umfangreiche Lebens- und Werkmaterial zu sichten, nachvollziehbar und anschaulich auf zentrale Gedanken zu reduzieren, Zeitgeschehen und Lebensbezüge originell und lebendig erzählt zu verbinden, all dies spannend auf tatsächlich „nur“ 400 Seiten darzustellen: Wolfram Eilenberger gelingt dies bis zur letzten Zeile großartig, anregend und auf fachlich höchstem Niveau! mc
Kate Kirkpatrick. Simone de Beauvoir. Ein modernes Leben
Es bereitet große Freude der klugen und anregenden Biografin Kirkpatrick auf dem Weg zu dieser starken Persönlichkeit zu folgen, für die Leben, Schreiben und Denken permanenter Befreiungsprozess war. Ihre Gedanken und Werke sind aktueller denn je. mc
528 Seiten
€ 25
Kübra Gümüsay. Sprache und Sein
Die Lektüre dieses außergewöhnlich klugen und lebendig geschriebenen Buches bereitet große Freude, ist immer wieder überraschend und fordert heraus. Kübra Gümüsay sensibilisiert in hohem Maß für den Umgang aber auch die wunderbar bereichernde Arbeit mit Sprache, um einen Dialog auf Augenhöhe mit einem Gegenüber zu ermöglichen - und damit die Voraussetzung für eine wirklich teilnehmende demokratische Gesellschaft zu schaffen. mc
18,00 €
Richard Wrangham. Die Zähmung des Menschen. Warum Gewalt uns friedlicher gemacht hat. Eine neue Geschichte der Menschwerdung
28,00 €
ILKO-SASCHA KOWALCZUK. DIE ÜBERNAHME. WIE OSTDEUTSCHLAND TEIL DER BUNDESREPUBLIK WURDE
€ 16,95
Catherine Bailey. Bis wir uns wiedersehen
€ 28,-
H. GLENN PENNY. IM SCHATTEN HUMBOLDTS. EINE TRAGISCHE GESCHICHTE DER DEUTSCHEN ETHNOLOGIE
Aus dem Englischen von Martin Richter
C.H. Beck Verlag
Widmet man sich der Entstehungsgeschichte ethnologischer Sammlungen, begibt man sich schnell auf „schwieriges Terrain“. Die deutsche Ethnologie und die unrühmlichen Hypotheken des deutschen Kolonialreichs und des Kolonialismus sind untrennbar miteinander verbunden, und ebenso untrennbar davon ist berechtigterweise die Frage nach Restitutionen.
Der amerikanische, in Iowa lehrende Historiker H. Glenn Penny versucht mit seinem Buch einen Beitrag zur Versachlichung der Diskussion im Zuge aufgeheizter Debatten um das Berliner Humboldt-Forum und „verbaler Aufrüstung“ wie Gleichsetzung ethnologischer Artefakte mit „verstrahltem Atommüll“ zu leisten.
Er schildert engagiert die spannende Geschichte u.a. der Berliner ethnologischen Sammlung sowie die Lebensläufe ihrer Begründer, und differenziert angemessen menschliche Ambivalenzen und Einstellungen der sich dezidiert jenseits von Rasse, Nation und kultureller Überlegenheitsideologie, in der Tradition Alexander von Humboldts verstehenden ersten Wissenschaftler und Sammler.
Penny wird vorgeworfen, „regelrechte Storys“ zu verfassen, „Verflachung und Verharmlosung“ durch die Art und Inhalte seiner Darstellung zu betreiben - doch möchte er die Sammlung und deren Geschichte nicht ausschließlich und voreilig auf Fragen von Rückgabe und Entschädigung reduziert wissen. Zentral ist für ihn unser Verständnis ihrer Entwicklungsgeschichte sowie der heutige und zukünftige Umgang mit diesen Sammlungen. Die Entstehungsgeschichte der Sammlung des Berliner Ethnologischen Museums, die mit ihren ca. 500 000 einzigartigen Objekten eine der weltweit größten ethnologischen Sammlungen ist, bedarf einer wissenschaftlich fundierten, gründlichen und unaufgeregten Betrachtung, die er streitbar leistet.
Malcah Castillo
FRANK BÖSCH. ZEITENWENDE 1979. ALS DIE WELT VON HEUTE BEGANN
DANIEL MENDELSOHN. EINE ODYSSEE. MEIN VATER, EIN EPOS UND ICH
Aus dem Englischen von Matthias Fienbork
Siedler Verlag
Odysseus weint, permanent. „Was ist daran so heldenhaft?“ Er ist kein besonders bewundernswerter Typ, wenig heldisch: Lügner, Ehebrecher und vieles mehr - der 81jährige Vater Mendelsohn fährt seinem Sohn gegenüber, dem anerkannten Altphilologen, Schriftsteller und Journalisten Daniel Mendelsohn provokante Geschütze auf. Er belebt und bereichert immer wieder unkonventionell, kauzig und klug das Seminar seines Sohns zur Odyssee, das dieser am amerikanischen Bard College hält. Beide begeben sich, nicht um den nahen Tod des Vaters wissend, auf eine bewegende Lebensreise - eine zarte, liebevolle, dabei verblüffend unsentimentale Annäherung des Sohns an den Vater und eine grundlegende Suche nach Erinnertem und Wirklichkeit. Die Odyssee, eine der großen alten Erzählungen über Aufbruch und abenteuerliche Heimkehr, Familienbande, Fremdheit und Vertrautheit ist dabei archetypischer Leitfaden und Spiegel. Eine wunderbar erzählte Geschichte und nebenbei ein schönes Plädoyer für das horizonterweiternde Studium alter Sprachen und Epochen. Malcah Castillo
352 Seiten
26€
UWE SOUKUP. DER 2.JUNI 1967. EIN SCHUSS, DER DIE REPUBLIK VERÄNDERTE
TRANSIT Buchverlag
Kaum ein Ereignis der Nachkriegszeit hat das Vertrauen der jungen Generation in die
Rechtsstaatlichkeit der Bonner Republik so massiv und nachhaltig erschüttert, wie der gezielte Todesschuß des Staatsschutz-Beamten Kurras auf den Demonstranten Benno Ohnesorg.
Die Bedrohung der Pressefreiheit in der SPIEGEL-Affäre, die Auseinandersetzung um die Notstandsgesetze und die Versuche, in Schulen und Universitäten politische Diskussionen über das kapitalistische System und den Krieg der USA in Vietnam zu verhindern, brachten vor allem die Studenten gegen den autoritären Staat auf. Auch die Rolle der Wissenschafts- und Wirtschaftselite in der Nazizeit musste hinterfragt werden. Besonders im eingemauerten Berlin des Kalten Krieges
prallten die Gegensätze massiv aufeinander.
Die Demonstrationen gegen den Besuch des iranischen Potentaten Schah Reza Pachlevi boten der Westberliner Polizei die Gelegenheit, den aufmüpfigen Studenten eine Lektion zu erteilen, damit ihnen die Lust am Demonstrieren vergehe. „Rädelsführer“ sollten von zivilen Greiftrupps dingfest gemacht und die Demonstranten mal ordentlich verprügelt werden. Eine richtige „Notstandsübung“.
Fotos und Filme liefern umfangreiche Beweise von der Brutalität der Staatsdiener und dem Todesschuss auf Benno Ohnesorg. Dieses Material, sowie Justiz- und Behördenakten und viele Augenzeugenberichte, hat Uwe Soukup zusammengetragen und neu bewertet. So entstand eine Dokumentation über ein Staatsverbrechen: Der Mord an Benno Ohnesorg. Denn der zweite Teil des Skandals besteht in der systematischen Vertuschung der wahren Vorgänge bei der Aufarbeitung durch Polizei, Justiz, Mediziner und andere staatliche Organe.Der Todesschütze Kurras wurde vor Gericht in allen Verfahren freigesprochen und lebte bis zu seinem Tod unbehelligt in Berlin. Nur einmal noch machte er Schlagzeilen, als 2009 herauskam, dass er für die DDR-Staatssicherheit die Westberliner Polizei ausgespäht hatte. Auch dieses Doppelspiel wird im Buch beleuchtet.
Soukup gelingt ein sehr interessantes Zeitdokument. Eine Mahnung an uns alle, wachsam zu sein gegenüber staatlicher Macht. Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit und Meinungsfreiheit müssen
auch in Demokratien stets verteidigt werden. js
191 Seiten
20,00€
HELMUT LETHEN DIE STAATSRÄTE. ELITE IM DRITTEN REICH: GRÜNDGENS. FURTWÄNGLER. SAUERBRUCH.SCHMITT
Helmut Lethen verfolgt die Karrieren von vier berühmten Repräsentanten Nazideutschlands. Hermann Göring selbst wählte sie gezielt aus, schützte sie. Er benutzte sie als Vorzeigeintellektuelle und sie ließen sich benutzen. Sie waren Mitläufer, manchmal auch Überzeugungstäter. Ihr Ansehen war bis in die Nachkriegswirren und die frühe Bundesrepublik hinein stabil. Anhand ihrer öffentlichen Publikationen, Selbstzeugnisse und der Berichte von Zeitgenossen versucht Helmut Lethen ihre Persönlichkeit zu ergründen. Er lässt sie zu imaginären Gesprächsrunden zusammenkommen und offenbart ihre Widersprüchlichkeit, Feigheit und Anpassungsstrategien.
Am Ende werden alle vier glimpflich davonkommen: der homosexuelle Theaterdirektor, der abgehobene Stardirigent, der Chefchirurg und Reichsforschungsrat. Besonderes Glück hatte der Staatsrechtler Carl Schmitt: Ein robusterer Genosse warf ihn 1936 von der Karriereleiter im Machtgefüge der Partei. So konnte sich der Vordenker und Sprachformer des antisemitischen Führerstaates "nur als beobachtender Wissenschaftler" stilisieren und blieb im Nürnberger Prozeß vor einer Anklage verschont.
Nicht nur über die vier Preußischen Staatsräte im NS-Staat, auch über Denken, Fühlen und Handeln vieler anderer Weimarer Geistesgrößen wird in diesem glänzend formulierten Buch berichtet, mit hohem Erkenntniswert für Deutschlands aktuelle Situation.
Aufgepasst, Freunde der Demokatie! js
24€
LUTZ C. KLEVEMAN. LEMBERG. DIE VERGESSENE MITTE EUROPAS
Aufbau Verlag
Um sich ein Bild von der 2014 aufbrechenden Ukraine-Krise zu machen, begibt sich der Journalist und Historiker Lutz C. Kleveman ins westukrainische Lemberg. Ergebnis seiner Recherchen ist ein aufwühlendes, verstörendes, unbedingt lesenswertes Buch, das weit über eine kulturgeschichtliche Darstellung der Stadt hinausgeht.
Lembergs Geschichte zu schreiben bedeutet, eine Geschichte immer wieder aufbrechender Gewalt zu dokumentieren und zu bewerten. Kleveman schildert neben bekannten stadthistorischen Tatsachen, die unbequemen erschütternden, zum Teil bis heute negierten oder ideologisch instrumentalisierten Kapitel der Vergangenheit: u.a. das auf europäischem Boden größte Judenpogrom seit dem Mittelalter im Juli 1941, in dessen Verlauf „4000 Menschen tot in den Straßen von Lemberg lagen“; die Geschichte des Stalag 328, des Vernichtungslagers der Wehrmacht auf der Lemberger Zitadelle, in dem innerhalb von drei Jahren etwa 140 000 Kriegsgefangene verhungerten oder getötet wurden; sowie die Geschichte des KZs Janowska, in dem nach der Liquidierung des Lemberger Ghettos 1943 die letzten Lemberger Juden besonders grausam vernichtet wurden. Lemberg schrumpft bis 1944 auf die Hälfte seiner Bevölkerung und verliert im Lauf seiner weiteren Geschichte fast 90 Prozent seiner ursprünglichen Bevölkerung.
Klevemans Schilderungen sind besonders im zweiten Buchteil nur schwer zu ertragen, da er dem Leser traurige Tatsachen und sadistische Grausamkeiten nicht erspart. Doch macht nur dieses Vorgehen begreifbar, wie tief tatsächlich die Risse, wie stark Verdrängung, wie vielfältig und zentral emotionale Verflechtungen auf dem europäischen Kontinent wirken. mc
315 Seiten
24,00€
Die Buchhandlung
an der FU Berlin
Königin-Luise-Straße 41
14195 Berlin
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Samstag: 9.30 - 16 Uhr
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