ANNE BEREST. DIE POSTKARTE

Aus dem Französischen von Amelie Thoma und Michaela Meßner
Berlin Verlag
Die Postkarte mit den vier Namen, die eines Tages im Briefkasten von Anne Berests Mutter liegt, ist der Anfang einer langen Reise durch die Zeit. Sie beginnt im postrevolutionären Moskau, als Nachman Rabinovitch 1919 seinen Sohn Ephraim sowie dessen Brüder auffordert, das Land zu verlassen – der »Fäulnisgeruch in seiner Nase« lässt ihn Schlimmes ahnen - und endet rund hundert Jahre später auf einem französischen Schulhof, wo ein kleines Mädchen, die Tochter der Autorin, sich von einem Jungen anhören muss, sie könne leider nicht mehr in die Fußballmannschaft gewählt werden, „weil man in meiner Familie Juden nicht mag.“
Ephraim über Riga und Haifa schließlich nach Paris, wo ein gewisser Louis Ferdinand Céline 1937 eine unerträgliche antijüdische Hetzschrift veröffentlicht, und wo jeder Bemühung der Familie Rabinovitch, die französische Staatsbürgerschaft zu erlangen, ein bürokratischer Riegel vorgeschoben wird. Den Kriegsbeginn erleben Ephraim und seine Familie in der Normandie, dort fühlen sie sich sicher. Unvorstellbar für sie, dass der Staat an ihrer Vernichtung arbeitet. Sie werden verhaftet und einzig Tochter Myriam, die Großmutter der Autorin, entkommt, im Kofferraum eines Wagens, in dem schon Hans Arp liegt. Ihre Fluchthelfer sind Vicente Picabia und seine Schwester, die dem Widerstand angehört, wie fortan auch Myriam. Sie wird die einzige Überlebende der Familie sein.
In Frankreich war „Die Postkarte“ ein großer Erfolg, die Mischung aus Romanbiographie und historischer Reportage trug dazu bei. Hierzulande dürften viele Details über die Kollaboration und deren Aufarbeitung un- oder nur wenig bekannt sein und die detektivisch recherchierte Familiengeschichte einige Fragen aufwerfen – unbequeme Fragen. nc
544 Seiten
28 €