ASTA SIGURARDÓTTIR. STREICHHÖLZER

Aus dem Isländischen von Tina Flecken
Guggolz Verlag
Was für eine Entdeckung! Es gibt ein Island vor den funktionsjackenbewandeten Touristenströmen, die heute die Insel heimsuchen, und jenseits aller Geysir-Romantik, dunkel-nebligen Fjord-Krimis und Mittelaltersagen. Zu verdanken ist die Entdeckung dem kleinen Guggolz Verlag, der Übersetzerin und vor allem natürlich der Autorin, die so unerhört ungeschliffen, rau, unerschrocken und zugleich zärtlich schreibt. Allzu viel ist über Asta Sigurardóttir (1930-1971) nicht zu erfahren. Sie starb mit kaum einundvierzig Jahren, brachte fünf oder mehr Kinder zur Welt und hinterließ ein kleines feines Werk. Ihre Lebensumstände müssen zeitlebens überaus prekär gewesen sein und von starkem Alkoholismus geprägt. Mitunter wird sie etwas euphemistisch als Islands erste „Bohémienne“ bezeichnet, wohl aufgrund der Tatsache, dass ihr eigenes Leben mindestens ebenso unkonventionell war wie das ihrer Protagonistinnen. Bürgerliche Konventionen und Moralvorstellungen im Island der Nachkriegszeit werden in Sigurardóttirs Erzählungen ausgehebelt: „Die Arbeitgeber musterten forschend meinen Bauch und spähten nach einem Ring an meinem Finger. Daraufhin schaute ich ebenfalls auf ihre Bäuche, die mir umfangreicher vorkamen als meiner. Ringe an den Fingern hatten sie auch – viele Ringe.“ Frauenfiguren, die wie das Urbild der Heiligen und der Hure daherkommen, tief verzweifelte junge Männer, gequälte Seelen und gequälte Körper – Sigurardóttir leiht ihnen ihre Stimme. Keine erbauliche Lektüre, aber eine verblüffende: Die Erzählungen wirken mutig und modern bis heute. Norma Cassau
221 Seiten
24 €