Klaus Mertes. Herzensbildung. Für eine Kultur der Menschlichkeit

Herder Verlag
Den langjährigen Schulleiter des Canisius-Kollegs lernen wir kennen als Autor eines reichlich altmodischen Gedankengangs, der an aktueller Orientierungskraft zur Zeit von niemandem überboten wird.
Mit dem Gleichnis vom barmherzigen Samaritaner ist das ähnlich: Was die Wahrnehmungskompetenz in dieser Welt angeht, kenne ich keinen Text, der ihm gleichkäme. Mertens wählt dazu das zentrale Organ des biblischen Menschen, das Herz. Dort ist in der biblischen Körpersymbolik der Sitz des Denkens, des Planens, der Verantwortung, des Gewissens, der Erinnerung und des Verstandes. Der Kopf ist wesentlich oben, la tête, der Anfang – im Herzen fallen die Entscheidungen über Verhalten und Lebensweisen – dort werden sie gebildet. Der gebildete König Salomo (der „weise Suleiman“) erbat von Gott ein „hörendes Herz“ - Größeres gab es nicht in seiner antiken Welt. Antik?
Nun macht sich Klaus Mertes auf den Weg, an die Herzensbildung zu erinnern in einer Welt, bevölkert von Großgangstern und offensichtlich verzagten Bildungspolitkern.
Die PISA-Daten von 2023 lagen unter denen von 2001, da war in 20 Jahren das „Humankapital“ irgendwie irgendwohin verrutscht, und auch der Kongress Mc Kinsey bildet (2005) hatte die Rede von der Bildungsökonomie eröffnet, nur ... will er nun Herz und Hirn gegen Handys und Handlungskompetenz ins Feld führen?
Mertes Erfahrungsraum sind die Zwangsinstitution Schule (Schulpflicht) und die biblische wie ignatianische Tradition. So erarbeitet er den Begriff der Wahrnehmungskompetenz aus dem Sehen und Wahrnehmen des Samaritaners im gleichnamigen Gleichnis – womit auch die Assmanns ihren Gemeinsinn hätten entwickeln können – und versteht und beschreibt den Schabbat als den idealen Ort der Bildung, der Muße, das Urmodell des Übernützlichen (Thomas Mann). Die zweite große Quelle sind ignatianische Exerzitien, die viel beitragen zu einem Curriculum der Herzensbildung. Mertes Kollege Eckhard Nordhoven nennt dies Buch eine „furchtlose Intervention, die um die großen Begriffe, unter denen die Liebe der größte ist, keinen Bogen macht, nur weil sie abgenutzt sind. Er bringt sie zum Strahlen, als wären sie gerade erst erfunden.“
Ein festliches, ein köstliches, ein besonnenes Buch. Gruß und Dank an Klaus Mertes!
158 Seiten
18€