Bernhard Pörksen. Zuhören. Die Kunst, sich der Welt zu öffnen

Hanser Verlag
Mit dem Hören beginnt es, mit dem Hören endet es, das Leben: Das Ohr ist bereits nach viereinhalb Monaten beim Embryo voll ausgeprägt, unter den menschlichen Sinnen ist Hören der erste! Vorgeburtliche Klänge werden wahrgenommen, der Herzschlag der Mutter oder ihr Singen … Am Anfang unserer sinnlichen-Existenz steht das Hören, bei Sterbenden ist es der letzte Sinn, der versagt. So darf man sagen: „Ich höre, also bin ich“. Doch geradezu niederschlagend ist die Klage: „Niemand hört mich.“ Warum ist die Grundlage weltweiten Regierens in erschreckenden Großkrisen ausschließlich das „Überhören“ der Anderen, Fremden, Armen, Fernen, auch der Indizien und Beweise – auch der Stimme des eigenen Gewissens? Hier setzt die Expedition Pörksens zu den Quellen der kompletten Ertaubung in unserer Gegenwart ein. Er eröffnet mit einer Erinnerung an den noch immer erschütternden Skandal der Odenwaldschule; unfassbar, unglaublich, „un-er-hört“. Seelenmord und Perversion von Reformpädagogik und fugendichtes Verschweigen, Vertuschen,Verleugnen, nahezu vollkommenes Nicht-Zuhören auf allen Ebenen deutscher Bildungseliten. Bis auf den heutigen Tag regiert zementenes Verschweigeverhalten, obwohl autobiographische Zeugnisse, Nachweise der schier wahnhaften Päderastie und entsetzliche Protokolle der Niedertracht vorliegen. Große Namen der Bildungsforschung, der Schulpraxis und der Erziehungswissenschaft waren im Spiel – den Ausfall jeglicher Erschütterung nehmen wir fassungslos wahr. Niemand hörte zu. Wo war einmal ein „gelingendes Zuhören“ zu notieren? „Wirkliches Zuhören ist unter Umständen ein lebensveränderndes Risiko“, schreibt Pörksen. Die Großen – Hartmut von Hentig voran – versagten sich ihm ...
Zu den weiteren Fällen einer kompletten Hör-Blockade gehört die Reaktion der Russen auf die Berichte ihrer im Ausland lebenden Kinder auf den Ukraine-Krieg. Die Eltern in einer totalen Putin-Propaganda-Gefolgschaftsblase weisen komplett ohrverstopft alles zurück, was von Gräueln der Okkupation bekannt ist. Sie entwickeln generell taube Ohren; eine fürchterliche Hörverkapselung wider den Worten der Kinder. Wie wird das weitergehen?
„I can't breathe“, bringt George Floyd noch einige Male hervor, dann stirbt er, denn das Knie des Polizisten zerdrückt ihm die Kehle, ermordet ihn. Umstehende Polizisten hören ihn noch – es ist kein Zuhören, er verröchelt und sie kommentieren mörderisch. Auch die Bischöfin Budde – ihre Kirche samt Gemeindehaus liegen dem „White House“ gegenüber – nimmt diese Szene des sinnbildlichen Nicht-Zuhörens in ihr Buch „Mutig sein“ auf, auf das wir weiter unten eingehen.
Pörksen porträtiert – wörtlich – die Avant-Garden des Hörens, die vom Nicht-Zuhören auf stumm geschaltet werden oder einen mühevollen Kampf ums Gehört-werden beginnen, wie „Fridays for Future“.
Es ist ein ernüchterndes wie ermutigendes Buch in Zeiten ratloser wie erschöpfter Menschen, in Zeiten der blitzschnellen Verfeindung im Nahen wie der absoluten Herrschaft der Lüge weltumspannend. Helmut Ruppel
336 Seiten
24€