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Romane

FRANZ KAFKA. DER PROCESS

Herausgegeben, kommentiert und mit einem Nachwort von Reiner Stach
Wallstein Verlag

„Jemand musste Josef K. verläumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.“ Es ist einer der wohl berühmtesten ersten Sätze der Weltliteratur und sein Autor, obwohl er wollte, dass nicht ein einziger Text aus dem Nachlass hätte gedruckt werden sollen, ein weltweit literarisches Leseereignis. Reiner Stach, dessen dreibändige Kafka-Biografie Sie lesen sollten, falls noch nicht geschehen, schenkt uns nun den ersten Band einer hervorragend kommentierten Ausgabe, deren Wert darin besteht, auf komplizierte „theoretische Höhenflüge zu verzichten“ und gleichzeitig zu vermitteln, dass der Prozess des Verstehens an kein Ende gelangt. Der Weg dorthin lohnt sich. sg

397 Seiten
34€

JOHN MILTON. PARADIES VERLOREN. erzählt, übersetzt, kommentiert von Rolf Schönlau


Verlag Friedenauer Presse

Wenn man die großartige Einführung von Rolf Schönlau liest, stellen sich sogleich Wissbegierde und Freude ein.
Wissbegierde auf das Original und Freude an der gelungenen Melange aus erläuternden und nacherzählenden Passagen, durchsetzt mit Bildern und vom Autor übersetzten Textbeispielen. „Das verlorene Paradies“ von John Milton ist ein zwölfteiliges Versepos, 1674 erschienen, was sich hauptsächlich mit dem biblischen Sündenfall beschäftigt. Miltons Werk gehört zu den Hauptwerken der angelsächsischen Literatur und wird oft mit Homer und Dante in Beziehung gesetzt. Mit exzellenten Sprachbildern, seiner formalen Strenge und gedanklichen Tiefe ist der Text bis heute einflussreich und wegweisend.
Nach Kurt Flaschs wunderbarer Einführung in Dantes „Göttliche Komödie“, ist auch dieses Werk ein großer Genuss und vor allem ein intellektueller Zugewinn. Zu erwähnen ist auch unbedingt die, wie immer bei der Friedenauer Presse, ausgesprochen schöne und sorgfältig verarbeitete bibliophile Ausstattung. hd

310 Seiten
28€

JOSEPHINE TEY. WIE EIN HAUCH IM WIND

Aus dem Englischen von Manfred Allié
Oktopus Verlag

In wilder Reihenfolge veröffentlicht der Oktopus Verlag die lange zu unrecht vergessenen Kriminalromane Josephine Teys, die zwischen 1929 und 1952 entstanden, und beschert der zeitgenössischen Krimileserin ein diebisches Vergnügen.
Alan Grant, Inspector des Scotland Yard und überzeugter Einzelgänger mit Freundeskreis statt Familienleben, löst die ungewöhnlichsten Fälle mit immer überraschendem Ausgang. Brach er im schon früher wieder aufgelegten „Alibi für einen König“ eine Lanze für Richard III, der seine Neffen ermordet haben soll und bis heute als unbeliebtester König der Briten gilt, verschlägt es ihn nun in ein englisches Dorf, das von Künstlerinnen und Künstlern besiedelt wird, was der einheimischen Bevölkerung nicht immer zusagt. Ein Schelm, wer da an heutige Stadtflüchtende denkt. Ein junger, attraktiver Fotograf aus den USA umgarnt uneingeschränkt alle im Dorf, bringt Selbstverständlichkeiten ins Wanken und verschwindet kurz darauf auf Nimmerwiedersehen. Der Verdächtigen gibt es viele, allein Alan Grant kann das Rätsel lösen.
Wie auch in den anderen Romanen, sind Teys Krimis Gesellschaftsstudien und historische Abhandlungen, die weit über das Genre hinausreichen und bis heute glänzend unterhalten.
Die anderen Krimis von Josephine Tey im Oktopus Verlag sind „Der letzte Zug nach Schottland“ und „Nur der Mond war Zeuge“. cm

315 Seiten
23€

PERCIVAL EVERETT. JAMES

Aus dem Englischen von Nikolaus Stingl
Hanser Verlag

Percival Everett erzählt einen Klassiker der Weltliteratur neu: „Die Abenteuer des Huckleberry Finn“ von Mark Twain aus der Sicht des Sklaven Jim. Man muss Huckleberry Finn nicht gelesen haben, um folgen zu können, denn es handelt sich um eine eigenständige Geschichte. Sie bietet aber durchaus einen frischen Blick auf das Geschehen in Mark Twains Roman. Gemeinsam fliehen die beiden den Mississippi hinunter. Huck flieht vor seinem Vater und Jim möchte nicht nach New Orleans verkauft werden – er braucht Geld. Er will seine Frau und Tochter freikaufen. Jim hinterfragt aufmerksam das System der Sklaverei, deckt seine Absurditäten auf. Sein Zorn staut sich immer weiter an und entlädt sich zum Ende hin. Percival Everetts Roman ist subversiv, der Schreibstil flüssig, die Handlung packend. Ein mutiges, kluges Buch über einen mutigen und klugen Menschen. jh

336 Seiten
26€

ALEX CAPUS. DAS KLEINE HAUS AM SONNENHANG

Hanser Verlag

Auf dem Cover eine sonnenbeschienene italienische Landschaft - ein Italienroman? Ein abgelegenes Dorf, ein altes Gemäuer, auf dem Tisch die Schreibmaschine und die Freunde in der Hängematte. Aber bald folgen Gedanken zur Plausibilität einer guten Geschichte (warum man im wahren Leben fünf Söhne haben kann, aber nicht als Romanfigur) und Überlegungen über Romanstoffe (warum ein Steinhaufen noch keine Geschichte ergibt und ein Steinhaufen bleibt). Also das Ganze doch eher eine Capus’sche Poetik? Oder ist es ein Krimi? Denn in dem beschaulichen Örtchen, dessen Bewohner sich abends unter flackernden Neonröhren und um den Spielautomaten versammeln, wurde in der Dorfkirche der Opferstock aufgebrochen, und der örtliche Maresciallo höchstselbst verfolgt die Spuren im Schnee, in der Hoffnung, den Fall schnell aufzuklären und rasch an den Abendbrottisch zurückzukehren.
Egal ob Italienroman, Poetik oder Krimi - Capus erzählt so wundervoll und mit so viel Witz und Charme, so herrlich menschlich, unprätentiös und heiter, dass wir uns der vermeintlichen Uneindeutigkeit gerne ergeben. Ein Geschenk für alle, die das Dunkel unserer Zeit einmal einen Moment sich selbst überlassen wollen. nc

160 Seiten
22€

ALINA HERBING. TIERE, VOR DENEN MAN ANGST HABEN MUSS

Arche Verlag

Es ist kurz nach der Wende, als die Familie mit den vier Kindern von Lübeck auf einen heruntergekommenen Hof in Mecklenburg zieht. Der Vater hält es schon bald nicht mehr aus auf dem Hof, auch nicht mit seiner Frau, und später verlassen die zwei Söhne das Haus ebenfalls. Am Ende bleiben die Schwestern Madeleine und Ronja bei der Mutter zurück. Letztere träumt von einem antikapitalistischen Leben - Trabbi inklusive -, das sie ganz in den Dienst der Tiere stellt. Jeden Tag, jede Nacht rettet sie Tiere. Wilde Tiere wie Schwäne und Wildschweine, aber auch angekettete Hofhunde oder gequälte Mäuse. Das Geld ist knapp und knapper, viel geht für die Versorgung der Tiere drauf, die den Mädchen nicht nur Ressourcen rauben, sondern auch Platz. Bald trauen sich die Schwestern nicht mehr über den Flur, wo ein knurrender Hund eingesperrt ist, und zum Plumpsklo kommen sie am Ende nur durch, nachdem sie die vom Schweinefutter angelockten Ratten in die Flucht geschlagen haben. Alles verkommt, es regnet herein, es ist kalt und feucht, die auf dem Dachboden freigelassenen geretteten Mäuse nagen den dicken Balken durch. Die große Katastrophe – sie tritt im Buch nicht ein, ist aber immer greifbar, schwelt unter der Oberfläche. Stürzt die Scheune ein, stürzt sich der Hund auf Madeleine, vergisst die Mutter ihre Tochter bei Wind und Wetter wieder einmal vor dem Supermarkt, sodass diese trampen muss? Von ländlicher Idylle ist kaum etwas zu spüren. Neben all dem Drohenden stellt sich immer wieder die Frage nach dem Machtverhältnis zwischen Kindern und Erwachsenen, zwischen der Mutter und ihren Töchtern. Wo endet die Verantwortungslosigkeit, wo beginnt die Vernachlässigung? Alina Herbing geht diese Fragen höchstens unterschwellig an, ihr Schreibstil ist subtil - aus der Perspektive der Töchter verhält sich die Mutter eben so, wie sie es immer tut, ihr Handeln wird nicht hinterfragt. Dem Leser aber drängen sich diese Fragen auf, bis über die letzte Seite hinaus. nc

256 Seiten
23 €

Maggie Millner. Paare. Eine Liebesgeschichte

Klett-Cotta Verlag

Aus dem amerikanischen Englisch von Eva Bonné

 

Dieser Text ist kurz aber gehaltvoll.

Die elegante Form des Langgedichts steht in einem interessantem Widerspruch zum mitunter profanen Inhalt des Textes. So begleiten wir die Protagonistin bei ihrer sexuellen Selbstfindung, ihrer teilweisen Weigerung erwachsen zu werden (als eine Art von Selbstverteidigung), ihrem Alltag im heutigen New York, ihren Gedanken als Dichterin und Dozentin zu Daseinszweck, Kunst und Lebensglück. Dabei bezieht sich der Text unter anderem auf Rachel Cusk, Virgina Woolf, Natalia Ginzburg und Jamaica Kincaid. Damit schafft Maggie Millner einen inspirienden Reflexionsraum, dessen Denkeinladungen und  -anregungen man nur zu gerne nachgeht. Die Sprache ist sehr klar und beschwört sofort eine Entsprechung im eigenen Kopf herauf. Die Übersetzung von Eva Bonné ist absolut gelungen und macht das Buch zu einem besonderem Leseerlebnis. hd

120 Seiten
20€

Die Wunderkammer des Lesens

Hg. Thomas Böhm
Verlag Das Kulturelle Gedächtnis

€28,-
320 Seiten

Die Wunderkammern aus dem Verlag Das Kulturelle Gedächtnis bilden inzwischen eine kleine Reihe. Neben der jetzt neu erschienenen Wunderkammer des Lesens gab es zuvor schon die Wunderkammer des Reisens durch Deutschland und die Wunderkammer der exzentrischen Küche. Die Wunderkammer ist prall gefüllt, und doch zunächst einmal etwas für Augenblicke, in denen Leser und Leserin gerade nicht in der Stimmung für epische Romanverwicklungen sind, aber die Finger trotzdem nicht vom Buch lassen können.

Das Buch lädt zum Herumblättern ein, und es ist höchst wahrscheinlich, dass das Auge des Lesers an einem Stichwort, einem Namen oder einer der originellen Grafiken hängenbleibt. Die Wunderkammer beherbergt eine prächtige Sammlung von Fakten und Fiktionen übers Lesen, und es stehen Kuriositäten neben Literarischem oder auch rein praktischen Informationen. Hier können Sie nachlesen, welche Titel in der Bibliothek der ISS stehen oder wie Sie einen Lesekreis gründen, warum Richard Powers seine Bücher nicht signiert oder welche Strategien es gibt, um Gedichte auswendig zu lernen. Auch Hans Fallada, Virginia Woolf oder Fontane kommen zu Wort. Möglicherweise erfreuen Sie sich auch an den zusammengetragenen Wortschönheiten aus dem Meyers Konversationslexikon und dem Grimm’schen Wörterbuch: die Büchergewandung, das Lesewesen, der Schriftling … Darüber hinaus ist das Buch toll gestaltet - so bunt und unkonventionell wie auch die anderen Titel aus der Wunderkammer-Reihe. Eine tolle Empfehlung für alle, die schöne Bücher und das Lesen lieben. nc

Klara Blum. Der Hirte und die Weberin

Die Andere Bibliothek, Band 463

48€
309 Seiten

Klara Blum – ein weiterer, klangvoller Name in der Liste der Vergessenen und Wiederentdeckten. Ihr Roman - ein wahrhaft ungewöhnlicher Text; wie könnte es auch anders sein, möchte man denken, entspringt er doch der Feder einer der Bukowina entstammenden Autorin. Die Bukowina, ein historischer Landstrich, buchenbewaldet und sprachengemischt, die einen gewissen Paul Ancel sowie Rose Ausländer, Selma Meerbaum und andere Stimmen hervorbrachte.
Titelgebend für den in der DDR zunächst verbotenen, dann still und leise veröffentlichten und später vergessenen Roman, ist die chinesische Volkssage einer verbotenen Liebe zwischen einem Hirten und einer Weberin, die durch einen Fluss getrennt werden. Das Geschehen katapultiert den europäischen Leser in die geheimnisvolle Welt Chinas, wo um 1937 herum die autobiographisch gefärbte Liebes- und Leidensgeschichte ihren Anfang nimmt. Nju-Lang, Sprössling einer Seidendynastie, ebenso unglücklich wie pflichtgemäß verheiratet und Vater geworden, ist ein leidenschaftlicher Theaterliebhaber, und seine improvisierten Inszenierungen westlicher, vermeintlich subversiver Stücke drängen ihn schließlich in die Flucht. In Moskau begegnet er der jüdischen Österreicherin (aus der Bukowina), Dichterin und Kommunistin Hanna Bilkes. Sie verlieben sich, und obwohl ihnen nur drei gemeinsame Monate beschieden sind, sind diese dennoch lebensprägend. Denn als Nju-Lang eines Tages ohne eine Nachricht verschwindet, hält Hanna bis zuletzt, viele Jahre lang, zu ihm, in der Überzeugung, dass ihr Geliebter auf eine geheime Mission geschickt worden wäre. Sie setzt alles daran, ihn wiederzutreffen, aber der Krieg, die Umstände erlauben ihr zunächst nicht, die Sowjetunion zu verlassen, sodass ihr erst Jahre später unter größten Entbehrungen über Prag und Paris die Reise nach China gelingt, wo sie hofft, ihren Geliebten zu finden.
Einiges spricht dafür, dass das Abenteuerliche dem außergewöhnlichen Leben der Klara Blum selbst abgeschrieben ist. Aber sie macht es Lesern nicht leicht, zu ihr vorzudringen, Anteil an ihrer Lebensfiktion zu nehmen: Im Stakkato, das an das Frühwerk Gabriele Tergits erinnert, preschen die Dialoge voran, Namen werden fallengelassen, unseren Ohren so fremd, dass sie dem Gedächtnis schon entfallen sind, noch bevor klar wird, ob man sie sich merken muss. Aber eben in jener Flüchtigkeit offenbart sich Blums tiefe Kenntnis der chinesischen Kultur und komplizierten politischen Ereignisse. Und die Schilderung der kolonialistisch-rassistischen Verhältnisse in Shanghai, der hierarchisch geprägten Beziehungen zwischen Chinesen und Weißen (Achtung: in der Sprache ihrer Zeit!) ist dermaßen scharfsichtig, dass der Autorin Vieles verziehen werden kann. Das Nachwort von Julia Franck ist, wie so oft bei Nachworten, unbedingt als hilfreiche Vorlektüre zu empfehlen. Und versteht man den Band als starken Einstand der neuen Herausgeber dieser wundervollen Reihe, Julia Franck und Rainer Wieland, dürfen wir hoffen, dass die Andere Bibliothek bleibt, was sie immer war: die besondere Reihe für den besonderen Leser. nc

PHILLIS WHEATLEY. NIE MEHR, AMERIKA! GEDICHTE UND BRIEFE

Aus dem Englischen von Florian Bissig
Friedenauer Presse

Mit sieben oder acht Jahren von Afrika nach Amerika verschleppt, wurde Phillis Wheatley 1761 als Sklavin an die Familie Wheatley verkauft.

Sie war die erste afroamerikanische Frau, der es gelang 1773 einen Gedichtband zu veröffentlichen. Dieser Band liegt nun endlich auch im Deutschen vor, ausgezeichnet übersetzt von Florian Bissig und versehen mit einer ausführlichen und sehr aufschlussreichen Einleitung.
Phillis Wheatley inspiriert bis heute viele afroamerikanische Schriftstellerinnen und Schriftsteller (u.a. Amanda Gorman). Mit ihren Gedichten bewies sie hohes formales und kreatives Können und allein die Veröffentlichung ihrer Texte zeugt von ihrem Mut, ihrer Kühnheit und Entschlossenheit. Für die Publikation war eine Widmung an die Gräfin von Huntingdon und die Versicherung von 18 (!) prominenten weißen Männern nötig, dass sie ihre Gedichte tatsächlich selbst verfasst hatte. Besonders bemerkenswert an ihrem Werk ist ihr „exaktes Gespür für das Sagbare“ (Bissig). Ihre Gedichte nehmen sich Freiheiten heraus, indem sie das herrschende rassistische Weltbild zum Teil bestätigen. Sie spielt mit diesen Erwartungen, und so bleiben ihre Gedichte immer gerade noch zumutbar für die damalige weiße Leserschaft. Sie verarbeitet religiöse und politische Themen der Zeit, es geht um spirituelle, wie auch um persönliche Freiheit. Die schön gestaltete Ausgabe lädt dazu ein, das Werk und die Geschichte von Phillis Wheatley zu entdecken und zu würdigen. Eine echte Lücke in der deutschsprachigen Bibliothek der Weltliteratur wurde somit geschlossen. Was von der Begründerin der Tradition der afroamerikanischen Lyrik erhalten geblieben ist, ist enorm wertvoll und lesenswert. jh

185 Seiten
22 €

MARVEL MORENO. IM DEZEMBER DER WIND

Aus dem kolumbianischen Spanisch von Rike Bolte
Wagenbach Verlag

Einmal in dieses Buch eingetaucht, ist es als betrachte man die Eruptionen eines aktiven Vulkans.
Die immer anwesende Hauptfigur Lina ist das glühende Erzählzentrum, von dem aus sich die heißen Ströme von Marvel Morenos Satzkaskaden verzweigen. Mal verlieren sie sich in der Familiengeschichte einer der vielen Figuren, mal schlagen sie Breschen durch psychoanalytisches oder biblisches Gedankengelände. Vorm lesenden Auge flimmert dann der Straßenstaub Barranquillas und im Dezemberwind weht die Hoffnungslosigkeit der jungen Generation vorüber. Zu dieser gehören Lina, Dora, Catalina und Beatriz – alle aus gut betuchtem Haus. Und alle vier kämpfen sie gegen eine sich auflösende traditionelle Ordnung. Die verschlungenen Lebenswege der Frauen werden gekreuzt von jähzornigen Männern, deren Allmachtsfantasien ihnen am Ende meist zum Verhängnis werden. Ihre Einzel- und Familienschicksale sind eng verknüpft mit den politischen Ideologien und Zeitläuften Europas und Lateinamerikas der Nachkriegszeit. Moreno spart dabei nicht mit Drastik und Sarkasmus, zeigt aber so die Unentrinnbarkeit der modernen Geschlechter- und Klassenverhältnisse am Beispiel ihrer Heimat auf. „Im Dezember der Wind“ – diese wunderbare Wiederentdeckung des Wagenbach Verlags – ist ein dunkel funkelndes Zeitbild Kolumbiens der Sechzigerjahre, welches sein Licht auch in die Gegenwart wirft. tw

432 Seiten
32 €

ANNE BEREST. DIE POSTKARTE

Aus dem Französischen von Amelie Thoma und Michaela Meßner
Berlin Verlag

Die Postkarte mit den vier Namen, die eines Tages im Briefkasten von Anne Berests Mutter liegt, ist der Anfang einer langen Reise durch die Zeit. Sie beginnt im postrevolutionären Moskau, als Nachman Rabinovitch 1919 seinen Sohn Ephraim sowie dessen Brüder auffordert, das Land zu verlassen – der »Fäulnisgeruch in seiner Nase« lässt ihn Schlimmes ahnen - und endet rund hundert Jahre später auf einem französischen Schulhof, wo ein kleines Mädchen, die Tochter der Autorin, sich von einem Jungen anhören muss, sie könne leider nicht mehr in die Fußballmannschaft gewählt werden, „weil man in meiner Familie Juden nicht mag.“
Ephraim über Riga und Haifa schließlich nach Paris, wo ein gewisser Louis Ferdinand Céline 1937 eine unerträgliche antijüdische Hetzschrift veröffentlicht, und wo jeder Bemühung der Familie Rabinovitch, die französische Staatsbürgerschaft zu erlangen, ein bürokratischer Riegel vorgeschoben wird. Den Kriegsbeginn erleben Ephraim und seine Familie in der Normandie, dort fühlen sie sich sicher. Unvorstellbar für sie, dass der Staat an ihrer Vernichtung arbeitet. Sie werden verhaftet und einzig Tochter Myriam, die Großmutter der Autorin, entkommt, im Kofferraum eines Wagens, in dem schon Hans Arp liegt. Ihre Fluchthelfer sind Vicente Picabia und seine Schwester, die dem Widerstand angehört, wie fortan auch Myriam. Sie wird die einzige Überlebende der Familie sein.
In Frankreich war „Die Postkarte“ ein großer Erfolg, die Mischung aus Romanbiographie und historischer Reportage trug dazu bei. Hierzulande dürften viele Details über die Kollaboration und deren Aufarbeitung un- oder nur wenig bekannt sein und die detektivisch recherchierte Familiengeschichte einige Fragen aufwerfen – unbequeme Fragen. nc

544 Seiten
28 €

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